Umgang mit Gewalt

- Überblick über religiöse Antworten und Leitlinien
Kind hält Hand vors Gesicht
© Michał Parzuchowski/Unsplash
Laut der Goldenen Regel sollen Menschen friedlich miteinander umgehen und andere Personen nicht behandeln, wie sie selbst nicht behandelt werden möchten.

In großen Kriegen auf der Welt und in Kämpfen auf dem Schulhof: Unter Menschen kommt es in ganz unterschiedlichen Situationen zu Gewalt. Alle Religionen, die bei religionen-entdecken.de vorgestellt werden, lehnen Gewalt ab. Darüber hinaus bieten Religionen Leitlinien, die helfen, Gewalt zu vermeiden.

In religiösen Antworten zum Thema Gewalt spielt die „Goldenen Regel“ eine große Rolle. Sie ist in den Schriften vieler Religionen enthalten:

Im Judentum heißt es: „Tue nicht anderen, was du nicht willst, das sie dir tun.“ (Rabbi Hillel, Talmud, Sabbat 31A). Im Christentum ist diese Aussage von Jesus überliefert: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ (Zweites Testament, Matthäus 7, 12) Im Islam gibt es die Überlieferung: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Glaubensgeschwister wünscht, was er sich selbst wünscht.“ (An-Nawawi, 40 Hadithe, 13)

Bei der Goldenen Regel handelt es sich um eine Leitlinie, die sich auf viele Situationen im Leben anwenden lässt. Zum einen fördert sie gutes Verhalten. Wer möchte, dass Menschen sich gegenseitig freundlich begegnen, sollte selbst ebenfalls freundlich sein. Wer sich wünscht, dass Menschen sich gegenseitig helfen, sollte selbst hilfsbereit sein. Zusammengefasst heißt das: Jeder Mensch verhält sich so, wie er es sich von anderen Menschen wünscht. Als Maßstab kann sich jeder Mensch fragen, ob er sich so verhält, wie er es sich von anderen wünscht. Gleichzeitig soll die Goldene Regel schlechtes Verhalten unterbinden. Denn niemand möchte, dass andere ihr oder ihm unfreundlich, ungerecht oder gewalttätig begegnen.

Und trotzdem wenden Menschen Gewalt an. Menschen sind nicht fehlerlos und halten sich nicht immer an die Goldene Regel. Wenn Menschen verletzt sind, kommt es oft zu schlechtem und falschem Verhalten. Geben Religionen Hilfestellung dazu, wie sich eine Gewaltspirale vermeiden lässt? 

In diesem Zusammenhang fordert der alevitische Gelehrte Pir Hacı Hünkar Bektaş-ı Veli auf:

 „Auch wenn Du verletzt wirst, verletze niemanden!“ Seine Lösung ist die Selbstbeherrschung. Er sagt: „Beherrsche deine Hände, deinen Körper und deine Zunge.“ 

Selbstbeherrschung ist eine Eigenschaft, die in vielen Religionen bedeutsam ist. Wichtig für Selbstbeherrschung ist ein Friede im Herzen. Im Hinduismus heißt dieser innere Friede Shanti. Und laut Hinduismus bringen Menschen, die in ihrem Inneren Frieden haben, auch Frieden in ihr Umfeld. Jesidinnen und Jesiden ist friedliches Zusammenleben mit den Mitmenschen auch sehr wichtig. Ein jesidisches Sprichwort besagt:

„Wenn du jemandem begegnest, dann frage nicht danach, welcher Religion sie/er angehört, sondern reiche ihr/ihm eine gute Tat.“ 

Menschen sollen gleichbehandelt werden. Das gelingt am besten, wenn Menschen das Wohlergehen der anderen Menschen wichtig ist. Das Bahaitum versteht „die ganze Menschheit als ein einziges Lebewesen“. Wenn ein Teil dieses Lebewesens leidet, zieht es alle anderen Teile in Mitleidenschaft. Nach der Überzeugung von ‘Abdu’l–Bahá, dem Begründer des Bahaitums, kann es dem Einzelnen nur gut gehen, wenn es der Gemeinschaft gut geht.

Die einzigen Ausnahmen, die Gewalt erlauben, sind Selbstverteidigung und der Schutz eines anderen Menschen. Menschen in Not muss in jedem Fall geholfen werden – und wenn es keinen anderen Weg gibt, als selbst Gewalt anzuwenden, ist es unter diesen Umständen gerechtfertigt. Im Talmud steht dazu: 

„Woher wissen wir, dass, wenn jemand seinen Nächsten in einem Fluss ertrinken sieht, wie ein wildes Tier ihn wegschleppt oder wie Räuber ihn überfallen, er dazu verpflichtet ist, den anderen zu retten? Weil die Tora sagt: ‚Du sollst nicht neben dem Blut deines Nächsten stehen‘.“ 

Und dennoch kann sich jemand gewalttätig verhalten, ohne dass es zu einer Notsituation gekommen ist. Der Buddhismus lehrt Schritte zur Umkehr von bösem Verhalten. Zusammengefasst lauten sie: 1. Sich eingestehen, dass das Verhalten schlecht war. 2. Die Tat bereuen. 3. Wiedergutmachung leisten. 4. Sich auf die Liebe besinnen. Im Christentum ist Umkehr von schlechtem Verhalten mit Buße verbunden. Buße bedeutet, bei Gott und Menschen um Vergebung zu bitten und das eigene Verhalten zu ändern. Auch hier ist die Liebe ein zentrales Stichwort. In der Bibel steht: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ 

Auch die anderen Religionen betonen die Bedeutung der Liebe. Die Liebe ist damit – wie auch die Goldene Regel – Grundlage für den Umgang mit anderen Menschen. Wer liebt, hält sich automatisch an die Goldene Regel. Das macht die Liebe zum wirksamsten Gegenmittel zu Gewalt.