Hochzeiten haben im Jesidentum eine große Bedeutung und gehören zu den wichtigsten Festtagen im Leben von Jesidinnen und Jesiden. Nach der religiösen Ordnung ist eine Heirat nur zwischen Jesidinnen und Jesiden (Shariet-Regel) erlaubt, die zudem der gleichen Erbgruppe (Tariqet-Regel) angehören müssen. Im Jesidentum gibt es drei Erbgruppen als Betreuungs- und Beziehungssystem, denen alle Jesidinnen und Jesiden zugeordnet sind. Dem Jesidentum gehört man durch Geburt von jesidischen Eltern an, so dass eine Heirat mit Andersgläubigen ausgeschlossen ist.
Für die Eheschließung gibt es keine Vorschrift, die besagt, dass die Eltern über die Ehepartnerin oder den Ehepartner ihrer Kinder entscheiden dürfen. Nach religiösem Verständnis muss die Wahl der Partnerin oder des Partners von beiden freiwillig getroffen werden.
Nach jesidischer Tradition findet vor der Hochzeit das Handanhalten der Tochter statt, die in der Regel gefolgt wird von einer Verlobung im Haus der Braut. In Anwesenheit der Eltern und von Verwandten sowie Bekannten als Zeugen erklärt das Paar, dass es heiraten will und einander aus freiem Willen gewählt hat. Auch wird die Familie des Brautpaares gefragt, ob sie Einwände gegen die Verlobung hat. Die Verlobung wird dann von allen gemeinsam als frohes Fest gefeiert.
Die Eheschließung wird durch einen religiösen Würdenträger, einem Peschimam, vollzogen. Bei Abwesenheit eines Peschimams übernimmt ein Scheich aus der Adani-Gruppe die religiöse Trauung.
Danach befragt der Würdenträger in Anwesenheit von Zeugen das Brautpaar einzeln jeweils dreimal, ob sie aus freiem Willen die Ehe eingehen. Erst wenn beide dreimal ihr Ja-Wort gesprochen haben, wird das Gebet zur Hochzeit (Dua Mehrê) als Segen gesprochen. Nach diesem Segen ist das Brautpaar nach jesidischer Religion ein Ehepaar. Die Braut und der Bräutigam müssen bei der Heirat mindestens 16 Jahre alt sein.
Die Braut trägt heute traditionell ein weißes Hochzeitskleid mit Schleier. Die Farbe Weiß ist im Jesidentum das Symbol der Reinheit.
An die Hochzeitszeremonie schließt sich die Hochzeitsfeier unter großer Beteiligung von Verwandten, Bekannten und Freunden an. Es werden dabei Geschenke überreicht und es wird ausgelassen miteinander gefeiert. Die Hochzeitsfeier wird in der Regel von der Familie des Bräutigams organisiert.
Es gibt viele kulturelle Besonderheiten bei einer jesidischen Hochzeit, die sich von Region zu Region unterscheiden können, wie:
- das Brautpaar bricht gemeinsam ein Stück Brot ab und isst davon,
- es wird ein geschmückter Baum mit Süßigkeiten aufgestellt,
- die Hochzeit wird mit vielen Gästen gefeiert
- das Brautpaar wirft ein Gefäß mit Süßigkeiten und Geld auf den Boden.
Für den Hochzeitstermin gelten zwei wichtige Regeln: Im Monat April und am Mittwoch darf nicht geheiratet werden. Der Monat April gilt nach jesidischer Zeitrechnung vom 14.04 bis zum 14.05. eines Jahres und gilt als Monat der Fruchtbarkeit. Jesidinnen und Jesiden bezeichnen den April als die Braut des Jahres (Bûka Salê). Der Mittwoch ist der heilige Wochentag im Jesidentum.
In der Ehe haben Frau und Mann die gleichen Rechte und sind gemeinsam für alle Aufgaben und auch für die Erziehung der Kinder verantwortlich.