Jesidisches Neujahrsfest

- ein bewegliches jährliches Fest
rot-weiße Bazinbar oder auch „Frühlingsarmbänder"
Archiv Yezidisches Forum e.V., Oldenburg
Am jesidischen Neujahrsfest werden rot-weiße Bazinbar, sogenannte „Frühlingsarmbänder“ angelegt. Diese Frühlingsarmbänder fallen von selbst ab und sollen damit Glück bringen.

Das religiöse Neujahrsfest der Jesidinnen und Jesiden findet am ersten Mittwoch im April eines jeden Jahres nach dem julianischem Kalender statt. Also am ersten Mittwoch zwischen dem 14. und dem 21. April eines jeden Jahres im gregorianischen Kalender. Das Neujahrfest wird als Çarşema Serê Salê bzw. Çarşema Serê Nîsanê bezeichnet, was sinngemäß als „erster Mittwoch im Neujahr bzw. im April“ zu verstehen ist. Nach jesidischer Mythologie ist die Schöpfung der Erde an einem Mittwoch vollendet worden, an dem erstmals auch die ersten Sonnenstrahlen auf die Erde trafen, sodass sich das Firmament rot färbte. Daher wird das Neujahrsfest von einigen Jesidinnen und Jesiden auch als Çarşema Sor, „Roter Mittwoch“, benannt. Der Mittwoch gilt zugleich auch als wöchentlicher Ruhetag bei den Jesidinnen und Jesiden. 

Zudem wird das Çarşema Serê Salê zu Ehren des Oberhauptes der sieben Engel im Jesidentum, Tausi-Melek, gefeiert: Der oberste Engel steht im Zentrum des jesidischen Glaubens, weil Tausi-Melek die Allmacht Gottes konsequent anerkannt hat und gilt daher als Gottesvertreter auf Erden. Das Oberhaupt der Engel wird im Jesidentum durch einen Pfau symbolisiert. Nach jesidischer Überlieferung hat der allmächtige Gott den Engel Tausi-Melek dazu beauftragt, die Erde zu schaffen und für alle Lebewesen bewohnbar zu machen. Tausi-Melek soll für die Menschen da sein und Jesidinnen und Jesiden beschützen. Jedes Jahr zum Neujahrsfest – so die jesidische Übermittlung – soll Tausi-Melek auf die Erden kommen, um den Menschen Glück und Segen zu bringen. Das Çarşema Serê Salê steht damit nicht nur im Zeichen des Neuanfangs des Jahres, sondern auch des Lebens.

Zum Neujahrsfest werden traditionelle Speisen vorbereitet und Hauseingänge mit bunten Blumen und Eierschalen, die mit Erde beklebt werden, geschmückt. Dieser Brauch soll das ganze Jahr über Glück bringen. Am Vortag des Festes färben Jesidinnen und Jesiden Eier, die die Ur-Perle darstellen, aus deren Explosion das Universum nach jesidischer Vorstellung entstanden ist. Das Färben der Eier erinnert an die Vollendung der Schöpfung und dem Beginn des Lebens auf der Erde. Auch rot-weiße Bazinbar, sogenannte „Frühlingsarmbänder“, werden um die Handgelenke angelegt. Fallen die Frühlingsarmbänder von selbst ab, so soll dies den Trägerinnen und Trägern Glück und Segen bringen.

Im Heiligtum Lalisch werden am Vorabend des Festtages sowie am Festtag zahlreiche Lichter angezündet. Frauen spielen dabei als Hüterinnen des Feuers eine wichtige Rolle.

Das Neujahrsfest wird sowohl innerhalb des Familienkreises gefeiert als auch mit der gesamten jesidischen Gemeinde in jesidischen Vereinshäusern. An diesem Fest werden zudem auch Friedhöfe besucht, um an verstorbene Familienmitglieder zu gedenken. In der Regel wird ein solcher Besuch von einem jesidischen Würdenträger begleitet, der heilige Texte zu Ehren der Verstorbenen vorliest. Anschließend finden im Gemeindezentrum weitere religiöse Zeremonien statt. Mit den Worten „Sersala we pîrôz be!“ wünschen sich Jesidinnen und Jesiden ein frohes, besinnliches und gesundes Neujahr. Unter der Begleitung von Musik wird gemeinsam fröhlich und ausgelassen gefeiert.

 

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